Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!
Im Rahmen der AG „Gegenöffentlichkeit“ der Aktionskonferenz habe ich die hier vorliegenden Thesen zur Bedeutung kriegsbefördernder Printmedien erarbeitet. Sie sollen euch als Argumentationshinweise für eure Aktionen im Kriegswinter dienen.
Für ergänzende oder korrigierende Rückmeldungen bin ich euch dankbar. Gestattet mir eine zusätzlich Bemerkung: Angesichts der Planung des ersten großen Nato-Manövers (25000 – 40000 Soldaten laut Spiegel online) und der 40 Beinah-Zusammenstöße zwischen Nato und Russland steigt in meinem Bauch das Angstgefühl vor einem direkten Krieg hier. Es ist größer als bei den meiner zweijährigen „Schweigestunde für den Frieden“ von 1982 -84. Demos, Unterschriften, Mahnwachen reichen aus meiner Sicht angesichts der aktuellen Spannungen nicht mehr aus.
Shalom!
Gerhard Biederbeck ()
Bedeutung kriegsbefördernder Print-Medien und ihre Relevanz für die Aktionsgruppen „Frieden“
- Wenn von „Leitmedien“ im Print-Bereich die Rede ist, so sind hier vor allem Süddeutsche Zeitung (SZ), Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Die Welt, Die Zeit, Der Spiegel, Bild Zeitung gemeint.
- Vier außenpolitische Redakteure der SZ, FAZ, Welt und der „Zeit“ sind in außen- und sicherheitspolitischen Strukturen mit Bezügen zur Bundesregierung, NATO und USA eng eingebunden.
In ihren Leitartikeln argumentieren sie im Sinne der außen- und sicherheitspolitischen Agenda der NATO und US-naher Netzwerke. (Quelle: Uwe Krüger „Meinungsmacht“) - Dabei ergibt sich diese Abhängigkeit: „Du gibst mir die Informationen, dafür schreibe ich das, was dir nützt.“ (Quelle: Gleichnamiger Artikel von Uwe Krüger in „Hintergrund“ 4/20214)
- Grundsätzlich alternative Positionen/Haltungen zur NATO-/Regierungsposition werden kaum oder gar nicht einbezogen.
- Zur tiefgreifenden Veränderung deutscher Außenpolitik bezüglich der Forderung „mehr militärische Verantwortung“ zu übernehmen: Die Aussagen von Gauck, von der Leyen, (auf der Europäischen Sicherheitskonferenz in München) und später von Steinmeier, wonach entschlossene deutsche Außenpolitik mehr Verantwortung übernehmen , sprich sich deutlich mehr am weltweiten Militäreinsetzen beteiligen soll, gehen auf ein Papier zurück, entwickelt unter Leitung des German Marshall Fund und der „Stiftung Wissenschaft und Politik(SWP) unter Beteiligung von ca. 50 Menschen, darunter Politikwissenschaftler, Wirtschaftsleute und Nikolas Busse (FAZ) und Jochen Bittner (Die Zeit), der entsprechend wohlwollend über die Gauck-Rede in seinem Artikel „Kurs auf die Welt“ berichtet.
Mitherausgeber Josef Joffe, der in transatlantischen Netzwerken vernetzt ist, tut sich ebenfalls besonders hervor. Der ehemalige Leiter des Washingtoner Büros der „Zeit“ und einer der Mitverfasser der Studie „Neue Macht-neue Verantwortung“, Thomas Kleine-Brockhoff, war zu Beginn der Studie noch Direktor des US-finanzierten German Marshall Fund, der gemeinsam mit SWP verantwortlich für die Studie zeichnet und wurde am 19.08.2013 Chefberater und Redenschreiber von BP Gauck. - Daraus ergibt sich: Journalisten haben an Politikplanungsprozessen nicht mitzuwirken, wenn sie ihre Unabhängigkeit wahren wollen.
- Es besteht eine Kluft zwischen der „Elite“ einerseits mit ihrer Nähe zu transatlantischen Netzwerken (s. a. „Atlantik-Brücke“), die die Bundesregierung zu mehr militärischem Engagement mahnt, und der Bevölkerung andererseits, die laut ZDF-Umfrage vom 10.10.14 mit 61% gegen Auslandseinsätze der BW ist.
- In der Ukraine-Berichterstattung wird Russlands Präsident als der Alleinschuldige von den Leitmedien dargestellt, während der Beitrag des Westens zur gegenwärtigen Krise nicht gesehen wird.
Tatsache ist, dass sich die USA seit vielen Jahren auf unterschiedlichen Kanälen mit erheblicher finanzieller Unterstützung bemühen, die Ukraine in die transatlantischen Strukturen einzubeziehen. So gibt es Strategiepapiere transatlantischer Gremien wie der German Marshall Fund oder auch der NATO, in denen klar gesagt wird, der Gürtel vom Baltikum bis hinunter zum Schwarzen Meer solle NATO- bzw. EU-Gebiet sein, u.a. um einen Energie-Korridor zum Kaspischen Meer und nach Zentralasien zu haben.
Es geht also um Ressourcensicherheit und die Eindämmung Russlands. - Die Berichterstattung der Leitmedien ignoriert diese Geo-politischen Interessen der NATO und der USA weitgehend.
Stattdessen wird empfohlen den „Provokateur“ Putin härter anzufassen, ohne den Beitrag des Westens zum Unfrieden zu reflektieren: Der Tagesspiegel „Genug gesprochen“; FAZ „ Stärke zeigen“; SZ „Jetzt oder nie“; Spiegel „ Ende der Feigheit“, „Putins Gespinst aus Lügen, Propaganda und Täuschung ist aufgeflogen. Die Trümmer der MH 17 sind auch die Trümmer der Diplomaten.“
Gabor Steingart beschreibt diese Art von Berichterstattung im Handelsblatt vom 8.8.2014 („Der Irrweg des Westens“) so: „Das Meinungsspektrum wurde auf Schießscharten-Größe verengt.“ „Blätter, von denen, wie wir eben noch dachten, sie befänden sich im Wettbewerb der Gedanken und Ideen, gehen im Gleichschritt auf Russlands Präsidenten los“, und bezeichnet die hier genannten Überschriften als „aggressive Verspannung“. - Dem Propaganda – Modell von Noam Chomsky und Edward Herman entsprechend unterscheiden die Leitmedien zwischen „wertvollen“ Opfern und „wertlosen“ Opfern. Opfer von Gewalt, die von Gegnern des Westens ausgeht, sind wertvoll und erhalten große Beachtung und die dortige Führung wird verantwortlich gemacht.
Wenn aber die Gewalt vom Westen oder seinen Verbündeten ausgeht, wird versucht, dies rangniederen Akteuren oder verwirrenden Begleitumständen anzulasten, nicht aber der Führung. - Es gibt in den Leitmedien ein grundlegendes Bild.(Mainstream).Was nicht hineinpasst, wird klein gehalten.
Es sind solche eingeschliffenen Denkmuster (frames) wie: Was die NATO macht, ist grundsätzlich in Ordnung.
So gilt auch: Wenn ich dauerhaft gut aus dem NATO-Hauptquartier mit Infos beliefert werde, dann will ich mich nicht fundamental gegen NATO-Strategien wenden. So veröffentlich der Spiegel aus einem an ihn vorzeitig lancierten NATO-Papier, dass die NATO nicht in der Lage sei, die osteuropäischen Bündnispartner gegen einen Angriff Russlands, beispielsweise im Baltikum, zu schützen. Dem Ziel dieses Papiers, dass die Mitgliedstaaten ihre Militärausgaben erhöhen, kommt der Spiegel nach und macht aus dem Papier eine exklusive Geschichte.