Die VVN-BdA sollte Ihre Stellungnahme zum Friedenswinter überdenken
von Harald Fuchs (DFG-VK Köln)

Unter der Überschrift „Keine Zusammenarbeit mit den Mahnwachen“ begründet die VVN-BdA, warum sie keine Aufrufe für den Friedenswinter unterschreibt, die auch „von Mahnwachen oder deren Verter_innen unterschrieben werden“.
Begründet wird das damit, daß die Friedensmahnwachen von Personen initiiert wurden, „die entweder selbst rechts verortet sind, wie der Querfront-Stratege Jürgen Elsässer, der AfD-Anhänger mit Sympathien für Nazis, Lars Mährholz und der Antisemit Ken Jebsen oder von solchen, die keine Notwendigkeit sehen, sich nach rechts abzugrenzen“. Es wird das Fazit gezogen: „In Zeiten, in denen Rechte offensiv versuchen linke Themen zu besetzen, sind wir gut beraten, genau hinzusehen, mit wem wir uns in eine Reihe stellen, genau hinzuhören was gesagt wird und uns von jedem Querfront-Versuch zu distanzieren.“

Diese Stellungnahme kommt zu einem Zeitpunkt, in dem zahlreiche bekannte und angesehene Persönlichkeiten der Friedensbewegung den Aufruf zum Friedenswinter unterschrieben und zu den Aktionen aufgerufen haben. Sie haben das getan, da eine Situation von verschärften internationalen Spannungen, Bürgerkriegen und Kriegen von der Bundesregierung zum Anlaß für verstärkte Aufrüstung Deutschlands, noch ungenierteren Rstungsexporten und zum Kappen der in der Phase der Entspannungspolitik aufgebauten Handelsbeziehungen zwischen Europa und Rußland genommen wird und von auf diese gefährliche und aggressive Politik einstimmenden Medienberichten begleitet wird. Friedensaktionen sind in dieser Situation dringend geboten. Mit ihrer Stellungnahme unterstellt die VVN-BdA allen Aufrufern zum Friedenswinter, blind für Rechtsextremismus und Antisemitismus zu sein. Dies ist kein Beitrag zur solidarischen Diskussion, sondern eine Denunziation, mit der sich die VVN-BdA in üble Medienhetze einreiht, die wir als Friedensbewegung von diesen Medien seit langem gewohnt sind, nicht aber von der VVN-BdA.
Die Sichtweise auf die Friedensmahnwachen kann ich mit meinen Erfahrungen in Köln nicht in Übereinstimmung bringen. Mir begegnen dort vor allem junge, aufgeschlossene und zur Diskussion bereite Menschen, die etwas für den Frieden tun wollen und mit Sympathien für Nazis, AfD, Querfront oder Antisemitismus nichts am Hut haben und auch nichts am Hut haben wollen. Die Mahnwachen sind keine Organisation mit einem bestimmten Programm und homogenen Überzeugungen, sondern es betätigen sich dort sehr unterschiedliche Individuen. Wir hatten beispielsweise auch nie Probleme wegen DFG-VK-Fahnen, die wir zur Mahnwache in Köln mitgenommen haben.
Mit pauschalen Abgrenungsritualen und dem Schüren von Berührungsängsten wird kein Beitrag zur Verhinderung einer politischen Rechtsentwicklung in Deutschland geleistet, sondern zunächst der Friedensbewegung aufgeschlossen gegenüberstehende Menschen werden abgeschreckt und in die Arme genau derer getrieben, vor denen die VVN-BdA warnt und deren politische Bedeutung sie derzeit überschätzt.
Ich empfehle mehr Vertrauen in die Überzeugungskraft unserer guten Argumente und die Gemeinsamkeit, die in der Erfahrung gemeinsamer Aktion entsteht.
Ich halte es auch für einen großen Fehler, nicht mehr auf die Inhalte und Forderungen eines Aufrufs einzugehen, sondern sich nur noch anzusehen, wer sonst noch diesen Aufruf unterstützt. Den Aufruf zum Friedenswinter kann kein Rechtsextremer unterschreiben, der verstanden hat, was dieser Aufruf beinhaltet und was die Ziele rechtsextremer Bewegungen sind. Man sollte jedem eine zweite Chance geben, menschenfeindliche Ansichten zu revidieren und innere Widersprüche so aufzulösen, daß dabei eine größere Nähe zu denjenigen entsteht, die sich in unserem Land seit Jahrzehnten für Frieden, Abrüstung und soziale Gerechtigkeit einsetzen.
Für die Abschaffung und Ächtung der Atomwaffen werde ich wie bisher auch weiterhin mit jedem zusammenarbeiten, der diese Ziele unterstützt. Und in der Zusammenarbeit werde ich dann jeglichen Äußerungen von Menschenverachtung, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus oder anderer gruppenbezogener Feindseligkeit engegentreten. Nicht umgekehrt.
Als wir Unterschriften für den Krefelder Appell gesammelt haben, haben wir auch nicht jeden Unterzeichner erst auf seine politische Korrektheit hin durchleuchtet. Ansonsten wäre die Friedensbewegung auch damals, in der Bewegung gegen den NATO-Doppelbeschluß, keine Massenbewegung geworden.
Die Frage ist nun, wie sich die VVN-BdA bei der Vorbereitung der Ostermärsche 2015 und des 8. Mai 2015 verhalten wird. Beide Aktionen sind ja Bestandteil des Aufrufs zum Friedenswinter und bereits von zahlreichen Menschen unterschrieben, die sich auch in der Mahnwachen-Bewegung engagieren.

Harald Fuchs, DFG-VK Köln

Stellungnahme der VVN-BdA:

Keine Zusammenarbeit mit den “Mahnwachen”

geschrieben von Bundesausschuss der VVN-BdA

  1. Dezember 2014

Eine Zusammenarbeit mit den „Mahnwachen“ kommt für die VVN-BdA nicht infrage.
Deshalb unterzeichnen wir keine Aufrufe für den „Friedenswinter“, die von Mahnwachen oder deren Vertreter_innen unterschrieben werden.

Alle Gliederungen werden aufgefordert, vor der Teilnahme an Veranstaltungen des „Friedenswinters“ zu prüfen, wer die örtlichen Aktivitäten organisiert, bewirbt und prägt.

Begründung:
Im März 2014 fanden die ersten „Mahnwachen für den Frieden“ statt. Thema war vor allem die Situation in der Ukraine, von der die Teilnehmenden befürchteten, sie könnte zum „3. Weltkrieg“ führen. Schnell kam es zur Gründung eines Dachverbands „Friedensbewegung 2014“, in dem die lokalen Initiativen zusammengeschlossen sind. Was „spontan“ und „unorganisiert“ wirkt, wurde allerdings von Personen initiiert, die entweder selbst rechts verortet sind, wie der Querfront-Stratege Jürgen Elsässer, der AfD-Anhänger mit Sympathien für Nazis, Lars Mährholz und der Antisemit Ken Jebsen oder von solchen, die keine Notwendigkeit sehen, sich nach rechts abzugrenzen.

Querfront-Strategie zeichnet sich in der Praxis aus durch Konzentration auf ein Ziel, das angeblich „ideologiefrei“ durch breite Mobilisierung „nicht links, nicht rechts, sondern vorwärts“ (J. Elsässer) verfolgt wird. Dem entspricht z. B. der Verhaltenscode, dass keine Erkennungszeichen von Organisationen bei „Montagsmahnwachen“ gezeigt werden dürfen. Inhaltlich wird dies durch die platte Art von „Kapitalismus“- und „Imperialismus“-Kritik deutlich, die immer dort auftaucht, wo Rechte versuchen, linke Themen zu besetzen. Statt Analyse komplexer Zusammenhänge geht es da um simple antiamerikanische Ressentiments und undifferenzierte Pro-Russland-Haltung, die Ablehnung des „Zinssystems“, das angeblich den Kern des Kapitalismus ausmacht und – seit Beginn des jüngsten Gaza-Krieges – um einseitige Israel-Schelte. Dazu kommen eine allgemeine „Eliten“-Kritik mit Schwerpunkt auf Banken, Politiker und Medien, die – direkt oder indirekt – als Teile einer Verschwörung dargestellt werden.

Dass bei den „Montagsmahnwachen“ jede Menge Menschen unterwegs sind, die einen erheblichen Teil ihres Lebens online verbringen und davon überzeugt sind, dass „die Wahrheit“ im Netz verbreitet wird, passt dazu.

Nun wird uns immer wieder vorgehalten, dass Mahnwachen und Ihre Vertreter_innen – auch die oben genannten – sich inzwischen eindeutig antifaschistisch positioniert hätten. Dazu wird auch gern ein im Oktober in Zeitz gefasster Beschluss zitiert, den Lars Mährholz in einem Schreiben an die Mahnwachen zur Kenntnis gebracht hat. Bereits der 2. Teil des Schreibens macht deutlich, dass es sich dabei um ein rein taktisches Lippenbekenntnis handelt: die rechten Inhalte werden nicht zurückgewiesen, sondern lediglich als der Diskussion nicht zuträglich und verzichtbar qualifiziert.

Fazit: In Zeiten, in denen Rechte offensiv versuchen linke Themen zu besetzen, sind wir gut beraten, genau hinzusehen, mit wem wir uns in eine Reihe stellen, genau hinzuhören was gesagt wird und uns von jedem Querfront-Versuch zu distanzieren.

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