Leserbrief zum FR-Kommentar „Allianz der Antiliberalen“ vom 12. Dezember

Sehr geehrte Damen und Herren,

Herr Bommarius unterstellte am 13.12. Friedensdemonstranten eine „Gegnerschaft zum liberalen Verfassungsstaat“. Ich bin einer derjenigen, die den Aufruf zum Friedenswinter mit formuliert haben. Ich sprach auf der Friedensdemonstration in Bochum, wie das auch Wolfgang Gehrcke tat. Herr Bommarius schrieb über ihn in diesem Zusammenhang: Er „und seine Gesinnungsgenossen sorgen dafür, dass der rechte Mob nicht alleine bleibt“. Also gilt diese Kritik auch mir. Ich nehme sie nicht persönlich, sondern ich analysiere die inhaltliche Substanz dieses ungeheuren Vorwurfs.

Es waren weder auf der zentralen Demonstration mit Eugen Drewermann, noch auf der regionalen Demonstration, auf der Wolfgang Gehrcke in Bochum auftrat, irgendwelche Menschen, die diese Unterstellungen rechtfertigen könnten. Sie erweisen sich also von den Tatsachen her als unhaltbare Behauptungen, die allerdings einen geringschätzigen Umgang mit Demokraten, die mutig für den Frieden demonstrieren, offenbaren.

Dass sich ausgerechnet die FR mit ihrer verdienstvollen Tradition kritischer Aufklärung zu einer solchen Manipulation hergibt, bedaure ich.

Ich bin Beamter. Wenn Herr Bommarius Recht hätte, müsste ich aus dem Staatsdienst entfernt werden, da ich Gegner der Verfassung wäre.

Ich bin seit vier Jahrzehnten auf Friedensdemonstrationen. Für Herrn Bommarius zähle ich dann wohl zu den „verwitternden Teilen der alten Friedensbewegung“, die ihren Nachwuchs unter „Rechtspopulisten … und Antisemiten“ findet. Diese Behauptung mündet in seiner Bewertung, die Friedensbewegung sei „gefährlich“.

Der von Herrn Bommarius zitierte Beschluss der Linkspartei vom stammt vom gleichen Tag, an dem Ken Jebsen und Pedram Shayar in ihrem Text „Für einen humanistischen Grundkonsens“ eine Trennlinie gegen rechte Positionen etwa eines J. Elsässer zogen, indem sie ihm seine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, z.B. in Form seiner Homophobie entgegenhielten und schlussfolgerten: „Wer auf den Friedensbühnen sprechen möchte, sollte auch außerhalb der Bühne den Weg des Frieden gehen.“

Es ist nicht verwunderlich, dass Herr Bommarius seine auf Halbwahrheiten und Unterstellungen aufbauende Kritik in der Totalitarismus-Theorie zuspitzt, derzufolge sich die Extreme von links und rechts immer schon näher „waren…, als sie sich eingestehen wollen“. Diese Theorie kennen wir von den unhaltbaren Versuchen, den Sieg der Nazis 1933 als Ergebnis des Ringens der KPD und der NSdAP hinzustellen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die KPD-Fraktion schon verhaftet und z.T. im KZ Dachau war, als die anderen traditionellen Parteien außer der SPD das Ermächtigungsgesetz zusammen mit der NSdAP beschlossen haben. Die Totalitarismustheorie verharmlost den Faschismus, sie blendet genauso wie Verschwörungstheorien den Kapitalismus als systemische Ursache für Machtmissbrauch aus. Jegliche Vereinfachung ist gefährlich nahe am Populismus. Sie steht kritischer Aufklärung entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

Bernhard Trautvetter

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